In einem interessanten Artikel auf HR Drive mit dem Titel “LinkedIn seeks to define the LMS market…” wird dargestellt, wie LinkedIn zukünftig LMS Weiterbildungsangebote im Unternehmensbereich betreiben wird.

LinkedIn schlägt also tatsächlich den strategischen Pfad ein, den ich bereits mehrfach in Vorträgen und Artikeln gezeichnet habe. Die Kurzfassung ist: LinkedIn wird alle Personalentwickler arbeitslos machen.

Wahrscheinlich halten Sie das für eine überspitzte und marktschreierische These, deshalb stelle ich im Folgenden etwas ausführlicher da, was dahintersteckt.

Lernangebote aus der Cloud ins LMS

Zunächst einmal ist erwähnenswert, dass LinkedIn – ähnlich wie unsere eLearning Cloud vor einigen Jahren – die Inhalte in jedes beliebige Lernmanagementsystem (LMS) integrieren kann. Damit arbeitet jedes Unternehmen in der eigenen Lernumgebung, tauscht aber Daten mit LinkedIn aus. Zusätzlich werden Nutzungsdaten – und vermutlich auch  Nutzerdaten – an LinkedIn zurückgegeben.

Damit ist es möglich, Lernverhalten, Lernerfolge und Lernpfade zu analysieren und Aussagen zu treffen über die besten Lernmedien, Lerninhalte für entsprechende Personen. Damit kann den Lernenden in den verschiedensten Kontexten und mit entsprechend zielgenauen Inhalten weitergeholfen werden. Gleichzeitig werden über spezielle Marketing-Aktionen die nächsten für eine Person hilfreichen Inhalte promoted, um das Lerninteresse weiterhin hochzuhalten.

Dieser Weg ist nicht neu, das ist im Prinzip der Ansatz, den ich seit 2012 beschrieben und mit der eLearning Cloud entwickelt habe. Interessant wird jedoch der nächste Schritt, der diese Weiterbildungswelt mit der großen Welt des Talentmanagements verbindet.

LinkeIn LMS

LinkeIn LMS

Kompetenzbasiertes Talentmanagement

Stellen Sie sich vor, Sie hätten von jedem Ihrer Mitarbeiter eine freiwillige und umfassende 360° Kompetenzanalyse. Und stellen Sie sich nun vor, Sie haben zusätzlich den vollständigen Lebenslauf dieser Person sowie die bisherigen Arbeitgeber, die nachfolgenden und vorhergehenden Stelleninhaber und die Kontakte zu Gleichgesinnten – Also ein umfassendes Bild der Kompetenzen, Erfahrungen, Kontakte und vor allem der Karrierepfade von der ersten Stelle bis heute. Und stellen Sie sich dann noch vor, Sie wissen, welche Interessen, Themen und Wissensinhalte diese Person aktuell bevorzugt. Dann haben Sie ein sehr umfassendes Bild einer Einzelperson – jedoch noch ohne Prognosegehalt.

Skills-_-LinkedIn

Skills-_-LinkedIn

Big Data und Deep Learning mit KI

Wenn Sie nun allerdings die Daten von etwa 500 Millionen Menschen weltweit statistisch auswerten und miteinander in Beziehung setzten. Wenn Sie alles nutzen, was Big Data, Deep Learning und künstliche Intelligenz schon heute können und dies mit Hilfe von Statistikern, Soziologen und Psychologen interpretieren und gegenprüfen. Dann erhalten Sie nicht nur ein Modell, das den aktuellen Stand einer Einzelperson darstellt, sondern tatsächlich ein gutes Bild über den wahrscheinlichsten Karrierepfad, den eine Person einschlagen wird.

Und wenn Sie dieses Wissen nun kombinieren mit einer Möglichkeit, neue und passende Stellenangebote direkt oder über Recruiter  angeboten zu bekommen, dann wird die Welt eine völlig neue: Sie haben das weltweit größte Talentmanagement-System, das aktuell möglich ist.

Auswirkungen auf die Personalentwicklung

Und es kann Ihre Aufgaben deutlich besser als Sie in Ihrer Organisation: Egal wie viel Erfahrung Sie in Ihrem Bereich haben und egal wie engagiert Sie sind: Allein das Kompetenzprofil aller Mitarbeiter durch individuelle Interviews und Befragung von Kollegen und Geschäftspartnern würde Sie überfordern. Auch das ermitteln des wahrscheinlich besten Karrierepfades auf Basis von mehreren tausend anderen Berufskollegen können Sie keineswegs leisten. Kommt nun noch hinzu, dass Sie in Einzelgesprächen mit jedem Mitarbeiter vor und nach jeder Weiterbildung über die nächsten hilfreichen Lernangebote sprechen, dann wird es langsam illusorisch. Und soll dieses Lernen nun auch noch durch den Austausch mit Gleichgesinnten oder Experten begleitet werden, dann sind wir weit über das Weihnachtswunschkonzert hinaus. All dies kann LinkedIn aber leisten. Und nimmt damit die Position einer weltumspannenden und ausgelagerten Personalentwicklungsorganisation für alle Unternehmen ein.

Auch aus Sicht der Geschäftsleitung, die naturgemäß stark zahlengetrieben ist, sieht die Zukunftsprognose für Personalentwickler düster aus. Im Prinzip hat die Geschäftsleitung die Wahl, einen kompletten Personalentwicklungsapparat inklusive Nebenkosten und Kosten für Mitarbeiter und Trainings selbst dauerhaft zu bezahlen oder nur noch Geld für abgeleistete Trainingseinheiten aller Mitarbeiter bereitzustellen und als Nebenprodukt ein vollständiges Bildungscontrolling, die gesamte Karriereplanung und Personalentwicklung geschenkt zu bekommen. Kurz: Viel dauerhafte Ausgaben und hohen Aufwand für ein schlechteres Ergebnis oder nutzungsabhängige und geringere Bezahlung ohne Aufwand für ein besseres Ergebnis.

Der Wermutstropfen, den sich ein Unternehmen allerdings damit einfängt ist, dass in LinkedIn jeder Mitarbeiter einen individuellen Weg gehen kann und auch sehr schnell den aktuell passenden und nächsten Karriereschritt in einem anderen Unternehmen macht. Und die Kollegen im neuen Unternehmen sind längst keine unbekannten mehr, sondern Berufskollegen, mit denen man sich eh‘ schon ausgetauscht hat. Darüber hinaus weiß LinkedIn deutlich mehr über die Mitarbeiter- und Organisationsstruktur und den Interessen und Themen einer Organisation als die Organisation selbst. Die Auswertung der Daten wird auch hier sehr interessant.

Empfehlung für Personalentwickler

Diese Situation ist weder neu noch überraschend – Sie ist schlicht ein Teil des Digitalen Wandels. Hier hilft weder die „Vogel Strauß Politik“ noch ein opportunistisches „Sofort Umstellen“.

Der Digitale Wandel wird in der aktuellen Phase sowohl die betriebliche Kommunikation als auch die  Personalentwicklung am stärksten betreffen – und vollständig verändern. Damit ist jetzt auch der Zeitpunkt, sich intensiver damit zu beschäftigen und die Veränderungen vorzubereiten und aktiv mitzugestalten.

Die wichtigste Frage ist – wie in vielen Unternehmensbereichen: Soll die gesamte Organisation, Abwicklung und damit das Wissen und die Erfahrung ausgelagert werden oder nicht. Diese Entscheidung ist grundlegend für Entscheidung, welchen Pfad Sie einschlagen. Wenn Sie alles auslagern wollen, ist jetzt ein guter Zeitpunkt, LinkedIn weiter in die eigenen Systeme und Abläufe zu integrieren.

Die Alternative – und mein persönlicher Favorit bei allen Systemen – ist es, dieses Thema in sinnvolle Einzelkomponenten aufzutrennen. Stellen Sie dabei sicher, dass der Datenaustausch unter den Systemen über standardisierte Schnittstellen erfolgt. Es sollte auch gewährleistet sein, dass Sie bei Vertragsende Ihre Daten in strukturierter Form speichern und weiterverwenden können.  Nutzen Sie Systeme, die voneinander unabhängig funktionieren. Mit diesem „Best-of-Breed“ Ansatz haben Sie auch in Zukunft die Möglichkeit, Einzelkomponenten gegen bessere Varianten auszutauschen.

Die Komponenten, die Ihnen in Zukunft ein ähnliches Gesamtsystem ermöglichen, sind zunächst ein System zur Ermittlung der Kompetenzen, Biographien, Lebensläufe, Erfahrungen und Fähigkeiten. Hier gibt es Umfragetools, Recruiting und Talentmanagement-Tools oder auch Kompetenzerfassungs-Tools. Gegebenenfalls auch mit einer entsprechenden Karriereberatung für jeden Einzelnen. Diese Tools sind ggf. auch in der Lage, den Arbeitsmarkt aktiv zu durchforsten und neue, potentielle Mitarbeiter aktiv anzusprechen.

Zur individuellen Personalentwicklung benötigen Sie Personalentwicklungssysteme, die diese Kompetenzen auswerten können und auf Basis Ihrer bisherigen Ergebnisse aktiv die nächsten Inhalte anbieten. Hier gibt es gute Lernplattformen und HR Systeme, die das leisten können.

Eine wichtige Komponente ist ein Marktplatz für Lerninhalte und Wissensbausteine: Sowohl kostenpflichtige als auch kostenlose Inhalte aus dem Web, die Ihren Mitarbeitern eine persönliche Weiterentwicklung ermöglichen.

Last but not Least die Möglichkeit der Mitarbeiter, sich untereinander auszutauschen oder auch Kontakt zu anderen Berufskollegen Online zu haben.

Ein Rahmenprogramm zur Bindung der Mitarbeiter wird dabei ebenso Ihre Aufgabe, wie das Auswählen der passenden Systeme, Inhalte und Verfahren für einen reibungslosen, aber automatisierten Personalentwicklungsapparat.

Beispiele

Sie finden auf meiner Website bernd-wiest.de unter Projekte bereits verschiedene Einzelsysteme zu diesen Aufgaben. Ein interessantes Recruiting und Talentmanagement-System, ein innovatives, situations- und kompetenzorientiertes Führungskräfte-Coaching System, die eLearning-Cloud als Marktplatz und LMS Schnittstelle sowie ein allgemeines Online-Erfolgstraining (unter anderem für Vertriebsmitarbeiter) sowie ein Mitglieder-Portal als virtuelles Beratungsportal für Digitale Personalentwicklung.

Zusammenfassung

Natürlich wird es in den nächsten Jahren weitere Systeme geben, die genutzt und integriert werden können. Wichtig ist, dass Sie bereits jetzt beginnen, Ihre  Digitalisierungs-Strategie mit entsprechenden Tools zu umzusetzen.

Es ist keine Frage mehr, ob dieser Wandel kommt. Er ist sicher und mit LinkedIn und anderen Alternativ-Tools auch schon konkret anwendbar. Offen ist die Frage, ob Sie diesen Wandel aktiv mitgestalten oder ob Ihr Karrierepfad zukünftig in eine neue Richtung geht. In beiden Fällen werden Ihnen die Digitalen HR Systeme sehr hilfreich sein.