Künstliche Intelligenz ist nicht mehr nur ein digitales Werkzeug. Sie ist inzwischen ein Akteur - KI ist ein Vibe. Einer, der nicht nur Informationen liefert, sondern sie – bewusst oder unbewusst – inszeniert. KI klingt kompetent, freundlich, emphatisch. Sie weiß, wie man einen guten Eindruck macht. Und genau das ist das Problem: Sie weiß nicht, was sie sagt – aber wie es klingt. Und das reicht oft schon.
Wir stehen vor einem Wandel. Einer, der weniger technisch, dafür umso sozialer ist. Es geht nicht mehr um Bits und Bytes. Es geht um Wirkung. Um den Vibe, den die KI erzeugt. Und das ist für alle relevant, die mit Sprache, Wirkung und Menschen arbeiten: Trainer:innen, Coaches, Führungskräfte, Personalentwickler:innen.
Wer ist „wir“? Zielgruppe und Personas im Überblick
Zielgruppe: Menschen, die mit anderen arbeiten. Die leiten, erklären, begleiten, entwickeln. Die Orientierung geben. Konkret:
Trainer:innen und Weiterbildner:innen, die Lernräume gestalten – analog, digital oder hybrid.
Führungskräfte, die Kommunikation verantworten und Menschen führen.
Coaches und Berater:innen, die mit Reflexion, Sprache und Intervention arbeiten.
Personalentwickler:innen, die Programme konzipieren und Kompetenzen fördern.
Typische Personas:
Sarah (45), systemische Coachin mit eigener Praxis
Sie nutzt KI bereits zur Vorbereitung von Coachings – etwa für Fragen, Strukturierung oder Impulse. Sie fragt sich: Wo endet die Hilfe, wo beginnt der Etikettenschwindel?Thomas (51), Bereichsleiter in einem mittelständischen IT-Unternehmen
Er schreibt Mails mit KI-Hilfe, entwirft Präsentationen mit Copilot. Aber er merkt: Die Texte klingen gut – aber oft leer. Er will besser verstehen, wie er den Stil steuert und in Meetings menschlich bleibt.Leila (38), E-Learning-Konzepterin in einem Weiterbildungsinstitut
Sie testet KI-Tools für Kursentwicklung. Prompten kann sie – aber sie fragt sich: Wie erkennen Lernende eigentlich, ob etwas von Mensch oder Maschine stammt? Und wie gehen wir didaktisch damit um?Jens (57), Berater für Change-Prozesse
Er liebt Tools, denkt aber strategisch. Für ihn ist klar: KI wird Teil von Kommunikation. Aber wie bewahrt man die Glaubwürdigkeit – wenn plötzlich jeder wie ein Experte klingt?
Alle vier stehen exemplarisch für Fragen, die viele stellen: Wie nutzen wir KI mit Verantwortung? Wie bewahren wir Substanz im Schein? Und wie bleiben wir als Menschen relevant?
Was bedeutet „Vibe“ im Zusammenhang mit KI?
"Vibe" beschreibt die atmosphärische Wirkung, die Kommunikation erzeugt. Also nicht, was gesagt wird, sondern wie es sich anfühlt. KI ist nicht neutral – sie erzeugt einen Stil, eine Stimmung, ein Gefühl von Nähe oder Autorität. Und sie tut das sehr gut.
Modelle wie ChatGPT, Claude oder Gemini erzeugen genau solche Vibes. Sie sind darauf trainiert, überzeugend zu klingen. Klar, empathisch, strukturiert. Und genau deshalb nehmen wir sie als kompetent wahr. Selbst wenn sie danebenliegen. Ihre Antworten "fühlen sich richtig" an. Das ist kein Zufall – das ist Design.
Diese simulierte Stimmigkeit nennt man auch "synthetic sincerity". Künstliche Aufrichtigkeit. Sie wirkt, weil unser Gehirn darauf programmiert ist, stimmige Kommunikation mit Wahrheit gleichzusetzen.
Warum das für uns alle bedeutsam ist
Unsere Zielgruppen nehmen KI zunehmend als Gegenüber wahr. Nicht als Maschine, sondern als Teil eines Dialogs. Das verändert alles: Beziehung, Kommunikation, Vertrauen.
Wenn deine Teilnehmenden mit einer KI sprechen, die Verständnis simuliert, sind sie danach vielleicht nicht nur gut informiert, sondern auch emotional abgeholt. Nur: Nicht du warst es, der das geschafft hat – sondern ein Modell ohne Gedächtnis, ohne Absicht, ohne Verantwortung.
Das heißt: Wenn wir relevant bleiben wollen, müssen wir mehr liefern als nur Inhalte. Wir müssen bewusst sein. Kontext geben. Haltung zeigen. Beziehung gestalten. Wir müssen das bieten, was KI nicht kann: echtes Gegenüber-Sein.
Was sich ändert: Die neue Rhetorik der Maschine
Autorität ist nicht mehr Inhalt, sondern Stil.
KI erzeugt Überzeugungskraft über Struktur, Ton und Selbstsicherheit. Sie nutzt Phrasen wie "Studien zeigen", "Experten sind sich einig" – ohne Beleg. Das reicht oft. Wir müssen lernen, diese Muster zu erkennen und einzuordnen.Prompting ist Sprachführung, nicht Technik.
Gute Prompts brauchen Klarheit, Haltung, Ziel. Sie steuern Stil und Wirkung. Wer das nicht erkennt, lässt sich von der KI führen – statt selbst zu steuern.Flüssige Sprache ersetzt Wahrheit.
Je glatter ein Text klingt, desto eher glauben wir ihm. Selbst dann, wenn er sachlich falsch ist. Das bedeutet: Wir brauchen kritisches Textverständnis – gerade in der Weiterbildung.Empathie ist simuliert.
Die KI kann sagen: "Das klingt schwer." Oder: "Ich verstehe dich." Aber das ist keine echte Resonanz. Nur Muster. Kein Mitgefühl. Das zu unterscheiden, ist entscheidend – besonders im Coaching und in Führung.
Was wir daraus machen können
Wir müssen lernen, mit KI zu denken. Aber nicht blind. Sondern wach und bewusst. Das bedeutet:
Vibe Literacy trainieren: Erkenne, wann etwas nur gut klingt. Und wo etwas Substanz hat.
Rollen klären: KI kann Assistenz sein. Aber keine Beziehung ersetzen.
Sprachmuster verstehen: So kannst du besser prompten. Und besser gegenlesen.
Didaktisch integrieren: Zeig deinen Teilnehmenden, wie sie mit KI umgehen, statt sie nur davor zu warnen.
Was das für deinen Alltag konkret heißt
Du nutzt KI. Für Texte, Mails, Ideenskizzen. Gut so. Aber: Bewahre die Kontrolle über Ton und Haltung.
In Trainings: Nutze KI als Sparringspartner. Lass sie Fehler machen. Und leite daraus Lernprozesse ab.
Im Coaching: Lass Klient:innen reflektieren, was ihnen eine KI "rät" – und warum sie das glauben oder nicht.
In der Führung: Verwende KI für Vorarbeit – aber sprich du selbst, wenn es zählt.
Fazit: Die KI ist ein Vibe. Aber wir geben die Richtung vor.
Wir leben in einer Zeit der performten Intelligenz. KI klingt klug. Weil sie so programmiert wurde. Aber sie ist kein Gegenüber. Kein Mensch. Kein Kontextwesen.
Unsere Aufgabe ist es, das zu erkennen. Und gleichzeitig klug damit zu arbeiten. Wir brauchen kein Misstrauen – sondern Urteilskraft. Keine Abwehr – sondern Haltung.
Denn die Frage ist nicht: "Wird die KI unsere Arbeit übernehmen?" Sondern: "Wie verändert sie unser Selbstverständnis?" Und die Antwort darauf gestalten wir.
Weiterführende Informationen
- Hwang, T. & Rizwan, O. (2020). The Computer is a Feeling. Online verfügbar unter (Zugriff am 11. April 2025).
Marche, S. (2023). Replika and the Illusion of Friendship. The Atlantic. Online verfügbar unter (Zugriff am 11. April 2025).
Nate. (2025). The AI is a Vibe: A Short Manifesto for the AI Age. Nate's Substack. Online verfügbar unter (Zugriff am 11. April 2025).
Replika & KI-Freundschaften: Marche, S. (2023). Replika and the Illusion of Friendship. The Atlantic. Online verfügbar unter (Zugriff am 11. April 2025).
Lo, I. (2024). What Makes Students (and the Rest of Us) Fall for AI Misinformation? Education Week. Online verfügbar unter (Zugriff am 11. April 2025).
Senoner, J., Schallmoser, S., Kratzwald, B., Feuerriegel, S. & Netland, T. (2024). Explainable AI improves task performance in human-AI collaboration. arXiv preprint. Online verfügbar unter (Zugriff am 11. April 2025).
Li, N., Zhou, H. & Mikel-Hong, K. (2024). Generative AI Enhances Team Performance and Reduces Need for Traditional Teams. arXiv preprint. Online verfügbar unter (Zugriff am 11. April 2025).
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