Sicher haben Sie schon häufiger von SCORM, dem großen und wichtigen eLearning-Standard gehört, ohne den beim eLearning nichts läuft? Vermutlich haben Sie bereits mehrere kryptische Erklärungsversuche hinter sich und fragen sich dennoch: “Wozu das Ganze?”
In diesem Artikel werde ich Ihnen kurz erklären, wozu SCORM gut ist und was Sie damit machen können – und was nicht.
SCORM in Kürze
Im Prinzip ist SCORM nur eine gemeinsame Sprache für Lerninhalt, das Web Based Training (WBT) und Lernmanagementsystem (LMS). Die beiden müssen sich austauschen über Lerner und Lernstände.
Das war’s – fertig. Alles erklärt.
Das bedeutet “SCORM” – eine Definition
SCORM steht für “Shareable Content Object Reference Model”.
Es beinhaltet eine Reihe von technischen Standards für eLearning-Softwareprodukte.
SCORM sagt Programmierern in etwa, wie sie ihren Code schreiben müssen, damit er mit anderer eLearning-Software “gut zusammenspielen” kann. Es ist also eine Festlegung, wie sich ein Lernmanagement-System (LMS) und ein Lerninhalt, ein Web Based Training (WBT) miteinander austauschen – sich “unterhalten” können. Es wird sowohl die Struktur als auch der Inhalt dieses Austausches festgelegt.
Der Standard wurde bereits 2002 als Nachfolge-Standard des von der Luftfahrtindustrie bereita ab 1988 festgelegten AICC Standards zur Lernstandsspeicherung veröffentlicht.,
Kurz gesagt: “Das Ding ist echt alt und angestaubt – wie unsere gesamte Pädagogik”.
SCORM ist dennoch bis heute der De-facto-Industriestandard für eLearning-Interoperabilität. Verwunderlich? Für die IT-Branche ja – für die Pädagogik nicht. Ein ehemaliger Kollege, ein IT’ler und brillianter SCORM Experte sagte schon vor vielen Jahren so schön:” SCORM ist kein Standard sondern höchstens ein grober Leitfaden”. Das behindert natürlich auch die WEiterentwicklung. Denn allen moderneren Ansätzen zum trotz – die ähnlich lückenhaft sind – haben die IT-Experten gelernt, mit dem ersten SCORM Standard (SCORM 1.2) zu leben. Sowohl LMS Entwickler als auch Autorentool-Programmierer haben nach fast 20 Jahren ein gutes Gefühl dabei, was in den jeweils anderen Systemen funktioniert und was nicht. Die neueren Ansätze bauen bisher noch nicht auf einen derartigen Erfahrungsschatuz auf.
Was macht SCORM genau?
Konkret regelt SCORM, wie Online-Lerninhalte und Learning Management Systeme (LMS) miteinander kommunizieren. SCORM bezieht sich nicht auf das Instruktionsdesign oder andere pädagogische Belange – es ist ein rein technischer Standard.
Technische Beschreibung
Mit SCORM 1.2 wurden die Konzepte des Content Packaging (alle Dateien in eine Zip Datei) und der Metadaten (Inhaltsverzeichnis und weitere Informationen zum Inhalt) eingeführt.
Die Metadaten beinhalten eine Inhaltsdatei Datei (als Inhaltsverzeichnis), in der die Struktur und die Beziehung oder auch Organisation zwischen den Inhaltselementen beschreibt.
Die Inhaltselemente sind sogenannte Sharable Content Objects (SCO) und Sharable Content Assets (SCA). Auf Basis dieser Objekte können die Lernstandsdaten zwischen LMS und Lerninhalt ausgetauscht werden. Es gibt theoretisch zwischen 40 und 50 verschiedene Informationen, die ausgetauscht werden könnten. In der heutigen Praxis werden davon etwa fünf verwendet.
Due wichtigsten bzw. geläufigsten Daten zum Austausch sind:
- Status (nicht begonnen/begonnen/beendet/abgeschlossen/nicht bestanden/bestanden)
- Zugriffszeit
- Anzahl der Zugriffe
- Punktzahl
Was SCORM uns nutzt
Offen ist natürlich die Frage: “Warum müssen sich WBT und LMS denn unterhalten können?
Der Grund ist einfach: Da Inhalt und System idealerweise getrennt voneinander entwickelt werden, treffen sich bei Ihnen immer zwei Fremde, die einander nicht kennen. Um dieses Kennenlernen zu erleichtern, wurde eben dieser Standard erdacht.
Die Web Based Trainings haben eine feste Dateistruktur, im Prinzip ein Inhaltsverzeichnis mit kurzer Gebrauchsanleitung und ein Unterverzeichnis mit den tatsächlichen Inhalten. Und das LMS hat eine Funktion, um diese WBT’s zu importieren und das Inhaltsverzeichnis zu verstehen und zu verwenden.
Dies ist der erste Teil des Standards, damit ist es möglich, jeden beliebigen SCORM – Lerninhalt in jedem beliebigen LMS (Das SCORM-fähig ist) zu nutzen. Ohne technischen Aufwand – einfach auf “Import” klicken – fertig.
Der zweite Teil des Standards beschäftigt sich mit dem Datenaustausch, also der Kommunikation zwischen LMS und Inhalt. Denn das WBT kennt zwar den Inhalt, aber nicht die Lerner und das LMS kennt die Lerner aber nicht den Inhalt. Dank SCORM wird die Kommunikation zwischen den beiden strukturiert in Gang gebracht. Damit wird es möglich, dass LMS und WBT Ihre Nutzerdaten und Lernfortschritte austauschen können. Nur damit ist es möglich, den Lernfortschritt zu erfassen.
SCORM als Dialog zwischen LMS und WBT
Ein solcher Dialog sieht dann – vereinfacht – so aus:
LMS: Achtung, hier kommt mein Lerner “Bernd Wiest”. Er hat bisher noch keine Lektion aufgerufen und beginnt von 0. Er will mit Kapitel 1 starten.
WBT: OK. Bestätige. Ich beginne mit Seite 1.
WBT: “Bernd Wiest” will in Kapitel 1 von Seite 1 auf Seite 2 wechseln, er bisher 68 Sekunden hier verbracht.
LMS: OK. Bestätige. Seite 1 abgeschlossen in 68 Sekunden. Kapitel begonnen, aber nicht abgeschlossen.
…
WBT: “Bernd Wiest” ist auf der letzten Seite in Kapitel 1 und hat dieses Kapitel damit in 17 Minuten abgeschlossen.
LMS: OK. Bestätige. Kapitel 1 abgeschlossen in 17 Minuten. Kapitel 2 ist begonnen, aber nicht abgeschlossen.
Dieser Dialog läuft so lange, bis der Lerner abbricht, davon erfährt das LMS oder auch nicht.
Beim nächsten Start des Inhalts:
LMS: Achtung, hier kommt mein Lerner “Bernd Wiest”. Er hat bisher noch Lektion Lektion 2 begonnen, aber nicht abgeschlossen und die Seiten 1-3 gelernt.
WBT: Dialog mit Lerner: “Hallo Bernd Wiest, Sie waren bereits auf Seite 3. Wollen Sie dort weiterlernen oder nochmals neu beginnen”
Bernd Wiest: “Weiterlernen”
WBT: An LMS: OK. Bestätige. “Bernd Wiest” lernt weiter in Kapitel 2 auf Seite 3.
…
Am Ende gibt es einen Wissenstest: im WBT ist festgelegt, dass der Test bestanden ist, wenn 80% der Fragen beantwortet wurden.
WBT: An LMS: Das Kapitel wurde abgeschlossen, der Test wurde mit 87% bestanden, der Bernd Wiest hat 113 Punkte. Dauer 49 Minuten
LMS: OK. Verstanden. Bernd Wiest hat abgeschlossen und bestanden. Dauer 49 Minuten. 87%, 113 Punkte.
Fazit und mein Tipp
Es ist nicht Ihre Aufgabe die technischen Details des Standards, die einzelnen Variablen und Parameter zu kennen oder Javascript, HTML und XML zu verstehen, um SCORM zu verstehen. Wichtig ist für Sie, dass Sie dieses Prinzip verstanden haben. Und gleichzeitig auch die Schwächen, denn der Standard wurde bereits Ende der 90’er Jahre des letzten Jahrtausends entwickelt:
- Der Wortschatz von SCORM ist sehr begrenzt, hier müssen neue Vokabeln her.
- Der Standard ist sehr weich formuliert, es gibt viele “Kann” und Wenig “Muss” Bedingungen, dadurch gibt es fast immer Probleme in der Kommunikation zwischen LMS und WBT und beide Anbieter wähnen sich im Recht. Und ganz wie bei einem klassischen Konflikt zwischen Menschen ist die Lösung ein Dialog und Änderungsbereitschaft zwischen allen Parteien.
- Per Definition müssen Lerninhalt und LMS physisch auf dem gleichen Server liegen, das passt nicht in die moderne Welt des Internets und der Cloud.
Abhilfe werden hier neue Standards wie xAPI (TinCan) schaffen. Hier bieten sich viele spannende Möglichkeiten für Lernstandsdatenerfassung. Es wird aber erfahrungsgemäß noch Jahre dauern, bis dieser Standard wirklich überall umgesetzt und im Einsatz ist.
Mein Tipp daher: Leben Sie mit den Schwächen von SCORM, planen Sie bei neuen Inhalten von neuen Herstellern immer eine Testphase ein, sichern Sie vertraglich ab, dass Sie erst kaufen, wenn der Inhalt läuft und sorgen Sie dafür, dass sowohl auf LMS als auch auf WBT-Seite ein Techniker mit tiefem SCORM-Verständnis bereitsteht, um eventuelle Kommunikationsprobleme auszuräumen. Am besten stellen Sie hier lediglich den Kontakt zwischen den Beteiligten her, übergeben die technische Leitung dem LMS-Supporter (die sind naturgemäß tiefer mit dem Standard vertraut) und warten auf das Ergebnis.
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